Als Hamburger kenne ich natürlich Sturmfluten. Das ist für uns nichts Besonderes und kommt regelmäßig vor. Zum Glück sind sie ja nicht so verheerend, wie jene im Februar 1962. Eben weil die Lehren aus ’62 gezogen wurden und der Hochwasserschutz in den Jahren danach ständig verbessert wurde.
Deshalb war ich auch nicht sonderlich beunruhigt, als im Oktober dieses Jahres eine Sturmflut mit sehr hohem Hochwasser für die Deutsche Ostseeküste angekündigt war. Die Jirka liegt an ihrem Platz recht geschützt, die Küste erhebt sich östlich des Hafens auf 40 Meter, so dass der Sturm aus Ost sich nicht allzu heftig auswirken sollte. Und Welle kann sich in Anbetracht der schmalen Hafenspitze auch nicht aufbauen. Blieb also der Wasserstand, der für die Jirka ungemütlich hätte werden können. Da in der Flensburger Förde aber sowieso starke Wasserstandsschwankungen regelmäßig eintreten, sind die Leinen der Jirka auch entsprechend ausgebracht, so dass auch hohe Wasserstände eigentlich kein Problem werden dürften. Entsprechend unbekümmert lies ich die Dinge daher auf mich zukommen.
Dann ging der 20. Oktober los.
Bereits vormittags war in der Chatgruppe meines Segelvereins etwas mehr los, als es sonst so Ende Oktober der Fall ist. Und da meine Segelkameraden wussten, dass die Jirka im Wasser bleibt, „funkten“ sie mich auch direkt an. Dann kamen die ersten Screenshots von Webcams aus Jachthäfen, auf welchen man bei genauem Hinsehen erkannte, dass die Heckpfähle nur noch sehr kurz aus dem Wasser ragten und Stege bereits im Wasser versunken waren. Das machte mich dann doch etwas nachdenklich und ich beschloss, doch nach Flensburg zur Jirka zu fahren und nach dem Rechten zu sehen. Auf der Fahrt nahm ich dann noch eine Vereinskameradin mit, die zu ihrem Mann auf’s Schiff wollte. Er hatte die Ostsee verlassen und lag nun im Kanal in Rendsburg. Die Weiterfahrt nach Hamburg wollten sie lieber zu zweit unternehmen.
Als ich in Flensburg ankam, stand bereits der Steg komplett unter Wasser. Mit meiner Anglerhose konnte ich dann trotzdem noch das Schiff erreichen.
Die Steganlage des Yachthafens am 20.10.23 nachmittags. Bis fast zu den Knien stand ich im Wasser, was mit der Wathose jedoch kein Problem ist. Das Deck der Jirka (links) war jedoch bereits so hoch, dass ich nicht mehr an Bord konnte. Es war nur noch eine Leinenkontrolle vom Steg aus möglich. Wie man sieht, hatten die Vorleinen noch genügend Luft für die erwarteten weiteren 30 cm Hochwasser.
So sah es bei den Heckpfählen zur gleichen Zeit aus. Allzuviel Luft war da nicht mehr, aber 30 cm mehr… sollte passen.
Beruhigt fuhr ich wieder nach Hause. Auf der Rückfahrt nahm die Böigkeit zu und in den Nachrichten kam die ersten Meldungen, die nichts Gutes erahnen ließen…
Dass es sich jedoch so entwickeln würde, wie es sich am nächsten Morgen in den Medien zeigte, damit hatte ich nicht gerechnet. Die Schreckensbilder aus Damp, Maasholm oder Schilksee muss ich sicher nicht beschreiben, denn als Segler kennt man sie.
So fuhr ich wieder nach Flensburg. Diesmal mit gemischten Gefühlen. Zum Glück lag die Jirka aber da, als war nichts geschehen.
Ganz anders jedoch in Wassersleben, einem Yachthafen eine Meile weiter nördlich, an dem ich vorbeifuhr. Ein solches Trümmerfeld habe ich noch nicht gesehen. Große 30 bis 40 Fuß-Yachten waren wild durcheinandergeworfen. Eine Yacht steckte mit der Bugspitze im Hafengrund, das Heck steil aus dem Wasser ragend, wie bei der Titanic. Es war gespenstisch. Und sehr traurig.
Die Schäden in unserem Hafen waren zum Glück gering, dass hat auch der Hafen inzwischen mitgeteilt. Ich selbst sah lediglich ein aus der Davit gerissenes Beiboot und ein zerfetztes Vorsegel, welches sich im Sturm gelöst hatte.
Einzig „längerfristiger Schaden“ ist der Ausfall des Stroms an den Steganlagen. Die Elektrik muss komplett überholt werden, so dass es in der Wintersaison keinen Strom an den Stegen geben wird. Das dürfte allerdings verkraftbar sein.